Jahrestagung 2023 der GPED – Kenntnisse und Wissen im Philosophieunterricht
Auf der von Meike Neuhaus (Dortmund) und Philipp Richter (Bochum) an der TU Dortmund veranstalteten Jahrestagung der GPED setzten sich 16 Vorträge und eine Podiumsdiskussion mit der Bedeutung von Kenntnissen und Wissen im Philosophieunterricht auseinander. Das Thema wurde gewählt, da aufgrund der schulpraktischen Schüler- und Kompetenzorientierung, aber auch aufgrund der philosophiedidaktisch etablierten Problem- und Methodenorientierung einer Vermittlung von Kenntnissen und Wissen über Philosophie (und ihre Geschichte sowie über die aktuelle, akademische Forschung) oftmals geringere Beachtung geschenkt wird. Mit über 70 angemeldeten Teilnehmer:innen war die erste Jahrestagung der GPED in „real-life“ gut besucht. Es wurde produktiv diskutiert sowie an Forschungsfragen gearbeitet.
Im ersten Themenschwerpunkt der beiden Tagungspanels wurden insbesondere meta-philosophische Fragen in didaktischer Hinsicht verhandelt, da die Reflexion von Philosophie- und Ethik-Unterricht notwendig auf eine Auseinandersetzung mit der Philosophie, ihren Methoden und Grundbegriffen führt. Hier waren auch unterschiedliche Konzeptionen von Wissen (und verwandter Begriffe) Gegenstand der Diskussion.
Die Vorträge des zweiten Themenschwerpunkts nahmen ihren Ausgang von konkreten Anforderungen in der Unterrichtspraxis: Wie kann von Schülern durch die Aktivitäten des Denkens, Redens, Lesens und Schreibens philosophisches Wissen erworben und durch Übung gesichert werden? Welche Anleitungen und Unterstützung können und sollten Lehrkräfte hier geben?
Mit Blick auf die Lehrkräftebildung wurde im dritten Themenschwerpunkt diskutiert, wie (angehende) Lehrkräfte mit den Ordnungen und Inhalten des Fachwissens umgehen können und insbesondere welche Kenntnisse (und Meta-Kenntnisse) aus und über das Fach dringend erforderlich sind.
Auf der Podiumsdiskussion entwickelten Steffen Goldbeck (Oberhausen), Leonie Teubler (Köln) und Christian Thein (Münster) ihre Positionen zur Frage, welches Wissen durch philosophiedidaktische Forschung generiert werden kann und sollte. Kritisch diskutiert wurde, ob und inwiefern die Philosophiedidaktik in Bezug auf die Desiderate der verschiedenen Ausbildungs- und Tätigkeitsphasen im Lehrberuf als eine Kunstlehre des Unterrichtens oder als eine darüberhinausgehende Wissenschaft verstanden werden sollte. Dabei gerieten der Umgang mit Modellen, die unterschiedlichen Anforderungen und Zielsetzungen des Wissenserwerbs sowie die Differenz von normativer Theoriebildung, empirisch-deskriptiver Erhebung und Auswertung sowie der Aktivitäten bei der praktischen Umsetzung in den Blick.
Besonders gefördert wurde auf der Tagung der wissenschaftliche Nachwuchs: Im Rahmen eines Satelliten-Workshops der Jungen GPED bot sich den zehn anwesenden Mitgliedern der Arbeitsgruppe für die Qualifikationsphase die Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen, Vernetzen und zum inhaltlichen Austausch. Vorträge zu Bewertungsaspekten von Studierendenabgaben (Patrick Maisenhölder) und zum Verhältnis von Philosophie und Psychologie im Philosophieunterricht (Sascha Euler) waren Ausgangspunkte für die gemeinsame Reflexion. Die nächsten, monatlich stattfindenden Jour Fixe-Treffen möchte die AG, die von Melanie Förg, Nils Höppner und Katharina Schulz geleitet wird, für weitere Projektvorstellungen und zum Austausch über methodische Fragen und institutionelle Rahmenbedingungen nutzen.
In der Schlussrunde der Tagung wurden wichtige Themen und Forschungsdesiderate identifiziert. Als ein Forschungsfeld, das dringend weiterentwickelt werden sollte, sahen die Tagungs-Teilnehmer:innen die empirische Forschung in der Philosophie- und Ethikdidaktik. Wie lassen sich philosophiedidaktisch sinnvolle empirisch-deskriptive Zugänge zu den Fragestellungen und Gegenständen der Philosophiedidaktik entwickeln? Als Herausforderung wurden dabei die in Sozial- und Bildungswissenschaften sowie anderen Fachdidaktiken bereits etablierten, aber sehr vielfältigen Forschungsmethoden und die heterogenen Forschungskontexte gesehen. Welche von diesen lassen sich auf welche Weise für die Erforschung von Philosophie- und Ethikunterricht gewinnbringend einsetzen und fachtypisch weiterentwickeln? Auch wurde diskutiert, wie Philosophie- und Ethik-Didaktiker:innen die empirische Arbeit starten können und wo in der Fülle verfügbarer Literatur ein Einstieg gefunden werden kann. Workshop- und Austauschformate seien notwendig, in denen auch in Kooperation mit anderen Wissenschaften Methoden und Zugänge der empirischen Forschung erörtert und erlernt werden können. Angesichts des Vorschlages, hier in maximaler Transparenz und Zugänglichkeit in der Community mit der „Open Science“ und „Open Methodology“, wie es in den Bildungswissenschaften zum Teil betrieben wird, zu arbeiten, wurde darauf hingewiesen, dass möglichst keine Parallelstrukturen entstehen sollten. Einerseits wären eine Bestandsaufnahme, was gibt es bereits in der Philosophiedidaktik an empirischer Forschung, Datensätze oder Fallarchive, andererseits auch die enge Kooperation der Community in der Entwicklung der deskriptiv-empirischen Forschung nötig. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass von politischer Seite insbesondere auch eine empirische und theoretische Erforschung der Hochschullehre und ihrer Didaktik gefördert werde. Womöglich wäre es auch für die Philosophie- und Ethikdidaktik sinnvoll, an eine Forschung zur Hochschullehre – ggf. im internationalen Vergleich – zu denken.
Als ein weiteres wichtiges Feld erschien die Erforschung der Sein- und Sollen-Differenz in der Lehrkräfteausbildung, die in einem induktiven Zugang erschlossen werden sollte: Was wird an den Institutionen der Lehrkräfteausbildung weitergegeben und wie wirkt sich dies auf das Denken und Handeln von Philosophie- und Ethik-Lehrkräften unterrichtspraktisch aus und was sollte (idealerweise) weitergeben werden? Hier müsste weiter an der Schnittstelle der deskriptiven Erfassung der Praxis und der normativen Theoriebildung gearbeitet werden.
Die Tagung habe auch das Desiderat einer fachdidaktischen Auseinandersetzung mit dem in Deutschland in Begründung befindlichen Fach „Philosophie in der Primarstufe bzw. in der Grundschule“ gezeigt. Mehrere Vorträge haben sich auf der Tagung diesem Feld gewidmet. Es wurde der deutliche Wunsch geäußert, hier Konzepte und Forschungsansätze im Rahmen einer Arbeitsgruppe der GPED zu entwickeln.
Insgesamt ist das Format der Tagung auf eine sehr positive Resonanz gestoßen. Gelobt wurde das Tagungsthema, das als sowohl für Forschung und Lehre direkt relevant als auch hinreichend breit empfunden wurde, so dass aktuelle Arbeitslinien ohne Neuerfindung angeschlossen werden konnten. Ebenfalls positiv hervorgehoben wurden die großen Zeitslots von 30Min. für Vortrag und 45Min. für Aussprache, so dass produktive Diskussionen entstehen konnten.
Der GPED-Vorstand will das (Journal-)Verfahren zur Publikation nach wissenschaftlicher Qualitätssicherung (Blind Peer Review) explizit fördern. Daher werden die Beiträge der Tagung nicht in einem Sammelband veröffentlicht. Die Beiträge der Tagung sollen als Papers ausgearbeitet und zum Beispiel beim neu zu begründenden Jahrbuch für philosophiedidaktische Forschung ins Peer-Review gegeben werden.
Das Jahrbuch für philosophiedidaktische Forschung ist, wie Tom Wellmann vom GPED-Redaktionsteam erläutert, eine jährlich erscheinende wissenschaftliche Fachzeitschrift, in der wissenschaftliche Aufsätze nach Double Blind Peer Review publiziert werden können. In einer zweiten Rubrik können nach Redaktions-Review auch Debattenbeiträge, Unterrichts- und Studienprojekte, Kritiken, Essays oder Buchrezensionen veröffentlicht werden. Die einzelnen Ausgaben des bei Springer/Metzler angesiedelten Jahrbuchs haben keinen thematischen Schwerpunkt.